Die konkrete Ausgestaltung der Angabepflichten der CSRD, also was und wie euer Unternehmen zu Nachhaltigkeit berichten muss, erfolgt nicht durch das deutsche Umsetzungsgesetz, sondern die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die als delegierte EU-Verordnung 2023/2772 seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD und damit auch für viele Pharmaunternehmen anzuwenden sind.
Mit insgesamt 10 thematischen Standards und zwei Querschnittsnormen decken die ESRS Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte sowie allgemeine Anforderungen und Angaben zur Berichterstattung ab und umfassen damit insgesamt 84 Offenlegungspflichten wie z. B. Strategien, Ziele, Aktionspläne und Kennzahlen. Diese Offenlegungspflichten wiederum umfassen insgesamt 1.178 Datenpunkte (!).
Aber keine Sorge, für euch als Unternehmen ist es wichtig zu wissen, dass ihr nicht zu allen Standards berichten müsst, sondern nur zu denen, die für euch wesentlich sind. Hier kommen die Querschnittsnormen ESRS 1 und 2 ins Spiel, denn sie geben den Rahmen für die Berichterstattung vor.
Ausgangspunkt des CSRD-Prozesses ist die Durchführung einer Due-Diligence-Analyse sowie einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse zur Identifizierung der für euer Unternehmen wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen. Beide Prozesse greifen ineinander und sind als wichtige Bestandteile der CSRD-Berichterstattung im ESRS 1 geregelt. Darüber hinaus stellt euch die EFRAG einen umfangreichen Leitfaden zur Umsetzung der Wesentlichkeitsanalyse zur Verfügung.
Die Due-Diligence-Analyse dient dazu, tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf Umwelt und Menschen, die euer Unternehmen durch seine Geschäftstätigkeit, Produkte oder Dienstleistungen verursacht oder zu denen es beiträgt, zu identifizieren, zu vermeiden, zu mindern und zu erfassen. Die Due Diligence ist ein kontinuierlicher Prozess, der unter anderem auf nachhaltigkeitsbezogene Veränderungen der Strategie, des Geschäftsmodells und der Geschäftsbeziehungen abzielt und zudem einen ersten wichtigen Schritt im Hinblick auf die Durchführung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse darstellt.
Dabei steht die Pharmaindustrie im Vergleich zu anderen Branchen vor besonders komplexen Herausforderungen. Globale Lieferketten und die Herstellung lebenswichtiger Medikamente haben erhebliche Auswirkungen auf Menschen und Umwelt – sowohl in den Produktionsländern als auch dort, wo die Medikamente angewendet werden.
Eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigt beispielweise, dass die CO2-Emissionen der Pharmaindustrie erheblich höher sind als die der Automobilindustrie. Ein weiteres großes Problem ist die Belastung von Ökosystemen durch Arzneimittelrückstände, die in Gewässer gelangen und dort erheblichen Schaden anrichten können.
Auch Verpackungsabfälle und die Entstehung von Antibiotikaresistenzen sind große Herausforderungen, die durch die Produktion und Verwendung von Arzneimitteln entstehen. Darüber hinaus ist die Rohstoffbeschaffung ein kritischer Bereich, insbesondere die Abhängigkeit von einigen wenigen Produktionsländern, in denen oft problematische ökologische und Arbeitsstandards vorherrschen.
Die CSRD zwingt Unternehmen, all diese potenziellen und tatsächlichen nachteiligen Umwelt- und Sozialauswirkungen zu identifizieren, zu dokumentieren und Strategien zu entwickeln, um sie zu minimieren. Und hier setzt die doppelte Wesentlichkeitsanalyse an. Sie baut auf den Erkenntnissen der Due Diligence auf, indem sie die für euer Unternehmen wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte identifiziert und bestimmt, zu welchen Nachhaltigkeitsthemen und -Unterthemen euer Unternehmen zukünftig berichten muss. Dabei nimmt sie auch die Chancen eures Unternehmens in den Blick, die sich aus Nachhaltigkeitsperspektive ergeben.
Zwei Dimensionen von Nachhaltigkeit sind zu unterschieden:
Die Auswirkungs-Wesentlichkeit bildet die tatsächlichen und potenziellen positiven und negativen Auswirkungen eures Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft ab, z. B. Luftverschmutzung oder die positive Bedeutung als Hersteller wichtiger Arzneimittel.
Die finanzielle Wesentlichkeit bildet die finanziellen Chancen und Risiken von Nachhaltigkeitsaspekten eures Unternehmens ab, z. B. Haftungsrisiken als Folge von Umweltverschmutzungen oder Menschenrechtsverletzungen, aber auch Profitabilitätsgewinne durch verbesserte und nachhaltige Verfahren und Innovationen.
Die ESRS schreiben vor, dass ihr als berichtspflichtiges Unternehmen alle Auswirkungen, Risiken und Chancen für die in der sogenannten Anwendungsanforderung AR16 (Anhang A ESRS 1) aufgeführten Themen in der Wertschöpfungskette auf Wesentlichkeit prüfen müsst.
Diese umfassen die drei Bereiche Umwelt, Soziales und Governance mit ihren Themen (z. B. Wasser- und Meeresressourcen), Unterthemen (z. B. Wasser) und Unter-Unterthemen (z. B. Wasserentnahme). Die Feststellung der Wesentlichkeit kann dabei auf allen drei Themenebenen erfolgen und euer Unternehmen entsprechend zur Berichterstattung verpflichten.
Hierzu müsst ihr Bewertungskriterien für die Wesentlichkeitsanalyse selbst festlegen und könnt qualitative und quantitative Schwellenwerte definieren, die über wesentliche und unwesentliche Nachhaltigkeitsaspekte entscheiden. Üblich ist die Verwendung von Skalen, z. B. von 1 bis 10.
Für die Bewertung der einzelnen Nachhaltigkeitsthemen ist die Einbeziehung relevanter interner und externer Stakeholder, also z. B. Personal, NGOs, Aufsichtsbehörden usw. unerlässlich, da diese Prozesse später auch im Rahmen des Testats durch den Wirtschaftsprüfer überprüft werden und daher gut dokumentiert sein müssen.